Interkultur, Third Space & Hybridität

Lange Zeit wurde die Literatur migrantischer SchriftstellerInnen als "nicht-deutsche" Literatur und daher als Nischenliteratur verortet. Über die drei Generationen literarischen Schaffens migrantischer AutorInnen in Deutschland haben sich viele verschiedene Ausdrucksformen interkultureller Identitätskonzepte entwickelt.

Interkulturelle Literatur ist weitmehr als lediglich eine Literatur im "Dazwischen" der Kulturen. So hat sich insbesondere die Postkoloniale Theorie mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und neue Herangehensweisen und Begrifflichkeiten entwickelt, die auch zunehmend die deutsche Diskussion im Umfeld der Migrationsforschung bestimmen. Der von Homi Bhabha entwickelte Begriff des Hybriden und des Third Space, des Dritten Raumes, ist mittlerweile ein in der deutschen Literatur- und Kulturwissenschaft immer wichtiger gewordenes Konzept.

EntFremdung, Integrität & SelbstBeschreibung

Der Raum der Literatur dient vielen AutorInnen mit Migrations- hintergrund als Raum für die Entfaltung und Auseinandersetzung mit den kulturellen Zuschreibungen der Mehrheitsgesellschaft. Nicht wenige AutorInnen haben sich kritisch mit diesen Projektionen auseinandergesetzt. So wird das kreative Schreiben für sie zum Mittel der selbstbestimmten „EntFremdung“ und vielmehr zur Selbstdarstellung der eigenen Identität.

Den Kampf um die Integrität in der deutschen Kultur beschreiben einige AutorInnen auf sehr facettenreiche Weise, teils symbolisch und abstrakt, teils direkt und provokativ. Ihnen ist gemein, daß sie aktiv und selbstreflexiv das Ausgegrenztsein aufarbeiten und gleichermaßen durch Aneignung und „SelbstBeschreibung“ eine Zugehörigkeit neu definieren und einfordern.

SprachRäume, Körperbilder & Liebe

Sprache als Raum und die Räumlichkeit von Sprache wird von SchriftstellerInnen auf sehr unterschiedliche Art und Weise genutzt. Die kulturelle Grenzerfahrung, die im städtischen Raum durch "Ghettoisierung" visuell wird, ist auf der individuellen Ebene eine gleichermaßen körperliche Grenzerfahrung. Die Sinnlichkeit des Sprechens und Schreibens wird auf symbolische Weise zum Brückenschlag und Dialog mit dem Anderen.

Die Erfahrung der Fremdheit, die eingeschrieben in den Körper auch die Geschlechtlichkeit umfaßt, findet insbesondere bei weiblichen Autorinnen ihren literarischen Ausdruck. So wird die kulturelle und sprachliche Differenz transferiert auf den Körper als Grenze zum Außen. In der Selbstdefinition und emanzipativen Beschreibung von Körperlichkeit wird vielmehr auch eine Re-Definition der Identität und literarischer Selbstbestimmung vollzogen.