Racial Profiling und Widerstand: Zivilgesellschaftliche Strategien gegen institutionellen Rassismus

Analyse

Zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen setzen sich seit Jahren für die Bekämpfung von Racial Profiling ein. Gemeinsam mit Paula Straube und Lina Schmid von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) analysiert Kriminologin Schohreh Golian institutionellen Rassismus bei Strafverfolgungsbehörden und stellt zivilgesellschaftliche Gegenstrategien vor.

Demonstration Hamburg 2020-06-05

Rassismus, institutionelle Diskriminierung und staatliche Repressionen gehen auch immer mit Strategien und Praktiken einher, die diese aufzubrechen und abzuschaffen versuchen. Manchmal sind sie öffentlichkeitswirksam inszeniert, manchmal passieren sie im Alltag, um das mentale und physische Überleben der davon direkt Betroffenen zu sichern. In Deutschland erleben BPoC(1) täglich Rassismus, der weitaus mehr ist als ein banalisierter Alltagsrassismus, sondern auch eine Frage der Sicherheit, der Angst, der Existenz und des Überlebens. Diese Angst und der Sicherheitsentzug werden nicht nur von rechten und rassistischen Gruppierungen geschürt, sondern auch von den Institutionen des Staates als solchem. 

Struktureller und institutioneller Rassismus durch Strafverfolgungsbehörden

Rassismus wird alltäglich durch gewisse Strukturen, Normen, Diskurse, Gesetze und Handlungsanleitungen (re-)produziert. Damit ist Rassismus der Struktur des Staates und der Gesellschaft inhärent. Nur auf Basis dieser rassistischen und rassismusbegünstigenden oder -fördernden Strukturen können Individuen rassistische Macht überhaupt ausüben. Racial Profiling ist ein Paradebeispiel für institutionellen Rassismus: Die Praxis der rassistischen Kriminalisierung wird von staatlichen Behörden selbst ausgeführt und ist Teil ihres operierenden Handlungsrepertoires. Diese Behörden sind in der dominanten Position, den rassistischen Charakter der Praxis zu verdecken, zu leugnen oder als Einzelfälle zu bagatellisieren und zu individualisieren. Dies geschieht oft auf Grundlage staatlicher Strukturen und Gesetze, die eine solche Praxis teilweise fordern, zumindest aber nicht unterbinden oder sanktionieren.

Beim Bundespolizeigesetz(2) etwa ist die rassistische Praxis schon im Gesetzestext angelegt. Die Bundespolizei darf zum Zweck der Verhinderung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenzen und des unerlaubten Aufenthalts vermeintliche anlass- sowie verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchführen. Diese Anlasslosigkeit ist jedoch durch den Gesetzeszweck nicht gegeben; der Anlass ist die Migrationskontrolle. Aus diesem Zweck erschließt sich auch das Kriterium der Verdächtigung: Das Äußere, das den Beamt:innen nicht deutsch genug erscheint. Somit kontrolliert die Bundespolizei unverhältnismäßig viele Schwarze deutsche Menschen und deutsche Menschen of Color unter dem Vorwand der Verdachts- und Anlasslosigkeit.

Die Befugnisse für verdachts- und anlassunabhängige Personenkontrollen der Landespolizeigesetze sorgen ebenso für rassistische Kriminalisierungen. Hier ist der Zweck weniger offensichtlich, die von rassistischen Motiven geprägte Durchführung der Kontrollen dafür umso öffentlichkeitswirksamer. Denn die benannten Kontrollen dürfen und sollen maßgeblich an öffentlichen Orten durchgeführt werden, die die Polizei als besonders „gefährlich“ markiert.

Die Polizei kann ihre Befugnisse also selbst erweitern, indem sie eine Gefährlichkeit von Orten konstruiert und damit die Strategie der Kontrolle von vorrangig BPoC legitimiert.(3) Dass durch die intensivierten Polizeikontrollen auch wirklich Straftatbestände festgestellt werden, die wiederum die vermeintliche Gefährlichkeit des Ortes und somit die Kontrollwürdigkeit der Betroffenen unterstreichen, nennt man eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Die Regelungen des Berliner Polizeigesetzes für verdachts- und anlassunabhängige Kontrollen führen nicht nur in der Anwendung zu Racial Profiling, sondern auch der Gesetzestext selbst zeigt seinen rassistischen Charakter, indem darin aufenthaltsrechtliche Verstöße und irreguläre Migration mit Straftaten von erheblicher Bedeutung gleichgesetzt werden.(4) Damit hat sich die Vermengung der hegemonialen, rassistischen Diskurse um Migration, Kriminalität und sogenannte oder tatsächliche „Ausländer:innen“(5) durch den Einzug in die deutschen Polizeigesetze institutionalisiert. Dass diese Gesetze zu rassistischen Kontrollen führen und eine Ungleichbehandlung von rassifizierten Menschen hervorrufen, ist die Definition von institutionellem Rassismus per se. 

Erschwerend hinzu kommt die hohe Definitionsmacht der Polizeibeamt:innen in den jeweiligen Situationen. Sie entscheiden nach eigenem Empfinden, ob und wen sie kontrollieren oder nicht und haben Handlungsmacht über den Ablauf der Konfrontationen. Dieses ungleiche Machtverhältnis zwischen Polizist:innen und ihrem rassifizierten Gegenüber zeigt sich auch in der geringen Beschwerdemacht letzterer. Wenn von Racial Profiling Betroffene sich während einer Kontrolle versuchen zu wehren oder im Nachhinein die Polizei anzeigen wollen, erfahren sie nicht selten Polizeigewalt und bekommen meist selbst eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamt:innen und/oder (versuchte) Körperverletzung.

Damit sollen die Kontrollen im Nachhinein legitimiert und der Gewalteinsatz gerechtfertigt werden. Die Sanktionsimmunität der Polizei hingegen wird durch Codes der Cop Culture sowie aufgrund des Vertrauensvorschusses zwischen Polizei und Staatsanwaltschaften verfestigt. Das Näheverhältnis der beiden Institutionen setzt die Diskriminierung von Betroffenen rassistischer Polizeigewalt im Strafprozess weiter fort. Während Polizist:innen stets als aufrichtig gelten, werden die Aussagen der rassistisch Kriminalisierten als unglaubwürdig dargestellt. Dieses Zusammenspiel aus Kriminalisierung und Diskreditierung von BPoC und die pauschale Rückendeckung für Polizist:innen bringt Betroffene systematisch zum Schweigen.(6)

Die Unsichtbarmachung und Leugnung von rassistischen Missständen haben in Deutschland System und Tradition, ebenso wie die Tarnung und Individualisierung ihres institutionellen und systematischen Charakters als ein Haufen von Einzelfällen.(7) Weder die deutsche Regierung noch die Interessenvertretungen der Polizei haben bislang die Existenz von Racial Profiling anerkannt und ächten dadurch die Opfer des institutionellen Rassismus. 

Zivilgesellschaftliche Strategien

Aus diesen starren Umständen heraus ergibt sich für Betroffene die Notwendigkeit, Strategien der Gegenwehr und des Selbstschutzes zu etablieren. Ebenso wie die Bedrohungslage an sich werden auch die alltäglichen Widerstände von den meisten Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft nicht wahrgenommen. Dabei sind sie für die Betroffenen mit großem Wagnis und Mut verbunden, denn ein direkter Widerstand von rassifizierten Menschen gegen rassistisch agierende staatliche Institutionen ist immer mit harten Repressionen verknüpft und kann gar tödlich enden.

Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich die Betroffenen Umgangsstrategien schaffen, etwa um polizeiliche Interaktionen zu vermeiden. Das sind beispielsweise das Umgehen von bestimmten öffentlichen Orten oder Routen aufgrund erhöhter Polizeipräsenz, das bewusste Tragen bestimmter Kleidung und auch die Weitervermittlung von Erfahrungswissen an peers. Eine andere Form der Umgangsstrategie ist die künstlerische Verarbeitung und Erzählung der Erfahrungen. 

Über die Jahrzehnte sind zudem viele Organisationen, Initiativen und losere Zusammenhänge von Betroffenen und/oder Unterstützer:innen, Aktivist:innen, Kompliz:innen und Akademiker:innen entstanden, die mit verschiedensten solidarischen Strategien versuchen, die Stimmen der Betroffenen zu stärken und auf die Missstände aufmerksam zu machen, sie anzuprangern und ihre Änderung einzufordern. Zum einen geht es darum, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren, sie zu unterstützen und den Status Quo für sie erträglicher zu machen.

Zum anderen geht es darum, den Status Quo zu verändern. Dabei spielen sowohl reformistische Forderungen nach weniger Diskriminierung, mehr Kontrolle der Polizei und mehr Gerechtigkeit eine wichtige Rolle als auch abolitionistische Forderungen nach einer absoluten Abschaffung der Polizei und rassistischer Strukturen des Staates, so wie sie derzeit existieren. 

Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit

Ausschlaggebend für Sichtbarkeit und Bildungsarbeit sind öffentlichkeitswirksame Kampagnen. Sie sollen die Bevölkerung über die vertuschten rassistischen und gewaltvollen polizeilichen Handlungen und Strategien aufklären, sie sensibilisieren und parallel dazu die Polizei und den Staat damit konfrontieren. Beispiele für Kampagnen sind Stop Racial Profiling von 2013 oder Kein Generalverdacht von 2020, ebenso die in verschiedenen Städten existierenden Copwatch-Gruppen, die auf die pauschale Verdächtigung und Kriminalisierung von BPoC aufmerksam machen und die Beendigung dieser Praxis des Racial Profiling fordern. Die Berliner Kampagne Ban! Racial Profiling – Gefährliche Orte abschaffen! von 2017 fordert, gestützt durch ein umfangreiches Rechtsgutachten, die Abschaffung der sogenannten "kriminalitätsbelasteten Orte" und der damit verbundenen Sonderbefugnisse für die Polizei.(8)

Eine sehr besondere Art der Öffentlichkeitsarbeit leisten Mohamed Wa Baile und die sich um seinen Fall gegründete Allianz gegen Racial Profiling aus Bern in der Schweiz. Sie nutzen den Ort des Gerichts, um während Gerichtsprozessen die Jurisdiktion und ihre Legitimität zu kritisieren und infrage zu stellen. Wa Baile erschien 2016 mit weiß angemaltem Gesicht vor Gericht, sprach eine Verkündung zur Ungleichbehandlung aufgrund seiner Hautfarbe aus und verstand es damit, in künstlerischer Form den Rassismus der Gerichtsbarkeit öffentlichkeitswirksam zu kritisieren.

Sein Akt deutete auf die gerichtliche „Inszenierung“ einer bestimmten Gerichtsbarkeit und Glaubwürdigkeit hin, die zutiefst von Weißsein geprägt ist: Die Akteur:innen, die Recht sprechen und verurteilen, sind meistens weiß, die Angeklagten sind es nicht. Später wurde seine Inszenierung der Inszenierung zu dem Theaterstück „Hautverdächtig“ geschrieben, das im Tribunal-Charakter Situationen vor Gericht bei Klagen gegen Racial Profiling dokumentiert.(9)

Andere Initiativen fordern durch Kampagnenarbeit Aufklärung und Rechenschaft für von der Polizei getötete BPoC und deren Hinterbliebene. Pionierarbeit hat dabei die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh geleistet, doch auch für etwa Hussam Fadl, William Tonou-Mbobda, Halim Dener, Ahmed Ahmad, Mohamed Idrissi, Rooble Warsame und Christy Schwundeck fordern Angehörige und Aktivist:innen Gerechtigkeit. Die Initiative Wo ist unser Denkmal? fordert für alle Opfer von rassistischer Polizeigewalt die Errichtung eines Mahnmals und auch die Kampagne Death in Custody will Aufmerksamkeit für diese schaffen.

Datensammlung

Dabei spielt die Datensammlung eine wichtige Rolle. Death in Custody dokumentiert Fälle, in denen von Rassismus betroffene Menschen in Deutschland in Polizeigewahrsam gestorben sind. Anhand von Medienrecherchen gibt die Initiative eine Übersicht über alle bekannten Fälle von rassistischer Polizeigewalt mit Todesfolge. Bisher verzeichnet Death in Custody 180 Fälle, mit dem Verweis darauf, dass aufgrund der schlechten behördlichen Dokumentation eine vollständige Erfassung der bundesweiten Todesfälle in Gewahrsam nicht möglich ist.

Bei Fällen, in denen es um Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt geht, ist es schier unmöglich, annähernd aussagekräftige Zahlen zu ermitteln. Der herrschende Korpsgeist unter Polizist:innen führt dazu, dass sie einander nach Anwendung körperlicher Gewalt in aller Regel schützen. Außerdem dokumentiert die deutsche Polizei nicht, wer wann weshalb kontrolliert wird. Dabei ist eine solche Dokumentierung beispielsweise in Großbritannien üblich und ermöglicht eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Kontrollen an BPoC. Sie wird daher von vielen Akteur:innen dringend gefordert.

Aufgrund des Fehlens offizieller Zahlen sammeln Initiativen kontinuierlich Datenmaterial.(10) Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) Berlin dokumentiert beispielsweise seit dem Jahr 2000 in ihrer Chronik rassistischer Polizeigewalt(11) über 200 Berichte zu rassistischen Polizeieinsätzen im Raum Berlin aus der Sicht der Betroffenen. Sie ist sowohl einzigartig in Bezug auf die Anzahl der Berichte als auch auf die vertretenen marginalisierten Perspektiven: Die Berichte verschaffen nicht nur den Erfahrungen der Betroffenen Gehör, sondern sind auch eine notwendige Gegendarstellung zu der hegemonialen Perspektive der Polizei.
Auch wissenschaftliche und aktivistische Studien(12) tragen einen wichtigen Teil zur Aufklärung über die Verhältnisse bei. Ihre Anzahl ist jedoch noch gering und es ist dringend notwendig, dass solche Studien zukünftig gefördert werden.

Juristische Strategien

Durch die Perspektive und das Wissen von Betroffenen ergibt sich neben der Datenlage auch eine wichtige Wissensgrundlage für verschiedene rechtsorientierte Strategien. Die einen Strategien fokussieren auf die Begleitung und Beobachtung von Gerichtsprozessen Betroffener und die anderen versuchen, mithilfe des Rechts gegen Racial Profiling vorzugehen.

Zum Beispiel bietet die Initiative JustizWatch solidarische Prozessbegleitungen und -beobachtungen an. Ähnliche Arbeit leistet das Forschungskollektiv Rassismus vor Gericht in der Schweiz. Die KOP bietet außerdem mit ihrem Rechtshilfefonds finanzielle Unterstützung bei Prozesskosten für Betroffene, die sich juristisch wehren wollen. Oft bieten auch Anwält:innen selbst ihre Arbeit umsonst oder für eine geringe Aufwandsentschädigung an. Durch diese Unterstützung ist es immer mehr Betroffenen möglich, gegen rassistische Verdächtigungen und Handlungen der Polizei zu klagen und immer mehr Menschen haben Erfolg vor Gericht.

Hinzu kommt, dass Kontrollen an den Grenzen, die wie Grenzkontrollen wirken, unionsrechtlich verboten sind. Aus diesen Gründen hat der Europäische Gerichtshof Deutschland mehrmals aufgefordert, das geltende Recht insofern abzuschaffen oder so zu konkretisieren, dass seine illegale Anwendung gestoppt wird und Vorgaben einzubauen, welche die Handlungsfreiheit der Polizei beschränken.(13) Solche Forderungen nach einer Richtigstellung des Rechts und einer rechtlichen Einschränkung polizeilicher Macht gibt es auch von Aktivist:innen sowie diversen internationalen Antirassismus- und Menschenrechtskommissionen (z.B. Europarat, UN-Menschenrechtsausschuss, UN-Ausschuss gegen Folter, ECRI oder FRA), die zum Teil seit mehr als zwei Jahrzehnten den Rassismus bei den deutschen Sicherheitsbehörden und die spärliche Strafverfolgung kritisieren.

Diese Kontrollinstanzen sind enorm wichtig für erfolgreichen Widerstand gegen Racial Profiling. Denn nicht zuletzt ist die Bundesregierung verpflichtet, internationale Übereinkommen und Konventionen (wie z.B. EMRK oder ICERD) einzuhalten, den Instanzen gegenüber Rechenschaft zu leisten und ihre Forderungen umzusetzen.

Dabei sind auch ihre periodischen Berichte, die aus dem unabhängigen Monitoring der Instanzen entstehen, wichtig für die Schaffung einer Faktenlage über die Existenz und Problematik von Rassismus bei den Sicherheitsbehörden. Ohne solche unabhängigen Organe kann die Bundesregierung weiterhin die Problemlage in Deutschland negieren. Daher fordern Aktivist:innen, viele der genannten internationalen Gremien sowie das Deutsche Institut für Menschenrechte und Amnesty International unabhängige Polizeibeschwerde- und Kontrollstellen mit Sanktionsmacht, gegenüber denen die Polizei rechenschaftspflichtig ist.

Fazit

Es ist bezeichnend, dass es trotz der Rechtswidrigkeit von Racial Profiling nicht gelingt, diese rassistische Praxis zu verhindern oder wenigstens Maßnahmen der Kontrolle und der Ahndung zu schaffen, ebenso wie die Gerichtsbarkeit zu vereinfachen, damit Anklagen und deren Erfolgschancen steigen. Bezeichnend für die institutionelle Verwurzelung des Rassismus sind auch die Fortschreibungen rassistischer Hegemonien durch die Judikative und ihre Konstitution. Die Persistenz des Rassismus in den Institutionen wird durch die permanente Negation verstärkt und ist so wirkmächtig, dass sie auch rassismuskritischen zivilgesellschaftlichen Diskursen nicht nachgibt.

Auch im Jahr 2020 wurde eine Studie zu Racial Profiling und Rassismus in der Polizei vom Bundesinnenministerium abgesagt und stattdessen durch eine diskursumdrehende Studie zu Gewalt an Polizeibeamt:innen ersetzt. Das ist ein klares Statement über die Vehemenz der Weigerung des Staates, das eigene rassistische Fehlverhalten anzuerkennen und die entsprechenden Strukturen abzuschaffen, zumindest aber zu reformieren. Selbst positive Beispiele für rechtsstaatlichen Fortschritt, wie das neue Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz, werden von den deutschen Landesinnenminister:innen sowie den Polizeigewerkschaften verschmäht.

Dennoch gibt es viel Grund zur Hoffnung für die Zukunft. Durch den jahrelangen Widerstand der Betroffenen sowie die konsequente antirassistische und solidarische Arbeit der existierenden Gruppen hat die Praxis des Racial Profilings es in öffentliche Diskurse geschafft. Diese rassistische Praxis ist nicht mehr nur Aktivist:innen, sondern großen Teilen der Bevölkerung ein Begriff und ein Dorn im Auge. 

Die hier benannten Strategien des Widerstands gegen Racial Profiling skizzieren lediglich eine kleine Auswahl. In Gegenwart und Zukunft müssen verschiedene Strategien entwickelt werden, die dem destruktiven und diskriminierenden Verhalten staatlicher Institutionen und entsprechenden Strukturen entgegenstehen und Änderungen einfordern. Denn während Polizei und Staat in Deutschland für die weiße Mehrheitsgesellschaft Sicherheit und Vertrauen symbolisieren, sorgen sie im Gegenteil bei rassifizierten Menschen für Angst und Unsicherheit. Einen Schutz der Betroffenen vor staatlicher Diskriminierung und Gewalt können zivilgesellschaftliche Strategien nicht gewährleisten. Dies ist allein die Verantwortung des Staates.

Einen wirklichen Schutz vor Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt gibt es erst, wenn die Praxis nicht mehr existiert. Es ist daher notwendig, dass in Zukunft die Rechenschaftspflicht der Polizei vehement eingefordert wird. Die politische Auseinandersetzung und die Umsetzung der jahrelangen Forderungen von Betroffenen, Aktivist:innen, Menschenrechtsorganisationen und der Wissenschaft ist längst überfällig. Nur durch eine massive Veränderung der rassistischen Verhältnisse kann auch eine Abschaffung der rassistischen Praxen erfolgen.

 


Literaturnachweise:

(1) Black and People of Color, weiter gefasst alle Menschen, die von Rassismus betroffen sind.

(2) Vgl. BPolG Art. 22,1a.

(3) Vgl. Golian, S. (2019). Spatial Racial Profiling. Rassistische Kontrollpraxen der Polizei und ihre Legitimationen. In: Wa Baile, M./Dankwa, S. u.a.(Hg.):Racial Profiling. Bielefeld: transcript Verlag, S. 177-194.

(4) Vgl. §21 ASOG Bln.

(5) Der Begriff „Ausländer“, meist ohne Genderung, wird im Deutschen kaum in seiner (aufenthalts-)rechtlichen Definition benutzt wird, sondern v.a. als hierarchisierender Sammelbegriff für alle nicht-weißen Deutschen verwendet.

(6) Vgl. Friedrich, S., Mohrfeldt, J., Schultes, H. (2016): Alltäglicher Ausnahmezustand. Institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden. In: Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (Hg.): Alltäglicher Ausnahmezustand. Institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden. Münster: Edition assemblage. S. 10-21.

(7) Vgl. Golian, S. (2020): Auf ewigem Abwehrmodus. Struktureller Rassismus bei der Polizei. In: SPW 239, S. 9-11.

(8) Vgl. www.kop-berlin.de/beitrag/die-berliner-kampagne-ban-racial-profiling-ge… (abgerufen am 12.01.2021).

(9) Vgl. Wa Baile, M./Höhne, E. (2019): Hautverdächtig. Rassistische Polizeikontrollen auf der Anklagebank. In: Wa Baile, M./Dankwa, S. u.a.(Hg.): Racial Profiling. Bielefeld: transcript Verlag, S. 67-86.

(10) u.a. KOP, Aktion Courage, Reach Out oder in den 1990er Jahren das Antirassismusbüro Bremen 

(11) Vgl. www.kop-berlin.de/chronik (abgerufen am 12.01.2021).

(12) U.a. der Kollaborativen Forschungsgruppe Racial Profiling aus der Schweiz oder des Instituts für Menschenrechte.

(13) Deutscher Bundestag, Drucksache19/2151, 19. Wahlperiode 16.05.2018, S.1
https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/021/1902151.pdf (abgerufen am 12.01.2021).