Das Problem sind autoritäre Populisten, nicht Gendern und Klimaschutz

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Politische Debatten sind zunehmend von Populismus, Emotionalisierung und unsachlicher Kritik an politischen Gegner*innen geprägt. Inhalte geraten dabei in den Hintergrund. Das spaltet die Gesellschaft, schürt ein Klima des Misstrauens und löst keine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Politische Akteure sollten sich lieber auf Inhalte konzentrieren und Verantwortung übernehmen.

Auf einer Demonstration wird ein Schild mit der Aufschrift "Fighting for our Future" hochgehalten

Zum Konzept und zur Parteiprogrammatik einer bürgerlich-konservativen Partei, wie der CDU/CSU, gehört es seit jeher, die eigene Position in der bürgerlichen Mitte zu definieren, indem man sich zwanghaft und vehement von Links abgrenzt, sei es durch überspitzte Polemik oder durch Unwahrheiten, die die eigene Wählerschaft ohne zu hinterfragen zu akzeptieren scheint. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich einem gleichen diskriminierenden Populismus bedient wie Trump in Übersee, der behauptet, dass Migrant*innen in Springfield die Haustiere der amerikanischen Bürger*innen essen, und mit solchen rassistischen Diffamierungen sogar Wahlen gewinnt. Auch hierzulande gilt für den Wahlkampf der konservativen Parteien: der Zweck heiligt die Mittel. 

Seit Jahren führt Friedrich Merz Wahlkampf auf Kosten von Migrant*innen und dem Rücken von geflüchteten Menschen. Mal behauptet er, dass Geflüchtete dem deutschen Bürger die Zahnarzttermine wegnehmen und Sozialtouristen aus der Ukraine den deutschen Sozialstaat ausnutzen. Dann wiederum schlägt er eine „Testphase“ bei den Zurückweisungen an den deutschen Grenzen vor und fordert, wie schon Jahre zuvor, eine „härtere Gangart“ gegenüber Migrant*innen, denn Deutschland habe „proportional zu seiner Größe“ die meisten Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan aufgenommen – was schlicht nicht stimmt. Schuld an diesen angeblichen Missständen ist wieder einmal Rot-Grün, wobei der eigentliche Löwenanteil der Schuld den Grünen gilt. Auch Markus Söder wettert seit langem gegen die Grünen, bezeichnet sie als „Verbotspartei Nummer 1“, die mit Wokeness und Genderpflicht eine Bevormundung und Umerziehung des deutschen Volkes anstrebten und den deutschen Bürger*innen das Fleischessen, Ponyreiten, Böllern und Autowaschen verbieten wollten. Die gebetsmühlenartige Wiederholung eines ideologisch motivierten Verbotes der Kernenergie und der Gasförderung ist ebenfalls eines dieser Narrative, mit denen die CDU/CSU bewusst Angst vor einem bevorstehenden Verlust des Wohlstandes der deutschen Bevölkerung schürt, der dann einzig und alleine dem sogenannten Verbotswahn der Grünen geschuldet sei. 

So absurd das alles auch klingen mag, so stößt es bei der eigenen Wählerschaft auf fruchtbaren Boden und man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die Wähler*innen der CDU/CSU sich zwar der Absurdität der Aussagen bewusst sind und größtenteils die Wahrheit nicht verleugnen. Vielmehr sind sie aus vielerlei Gründen nicht an der Realität interessiert, sei es aus politischem Kalkül, Rückwärtsgewandtheit oder schlichtweg der Leugnung des Klimawandels. Somit dienen sie ohne Reue und Bedenken als Multiplikatoren für den Hass auf die Grünen, indem sie die gleichen Unwahrheiten, sei es im privaten Umfeld oder den sozialen Medien, weiterverbreiten. Doch was passiert, wenn die Polemik gegen den politischen Gegner dermaßen ausartet, dass aus dem politischen Gegner ein Feind wird?

Das grüne Feindbild

Das kategorische Ausschließen einer möglichen Koalition mit den Linken und den Grünen einerseits und mit der AfD andererseits, birgt die Gefahr, dass die Wähler:innen mit den drei Parteien die gleiche Bedrohung und den gleichen Extremismus assoziieren und somit der fabulierten Gefahren einer dämonisierten Linken und der Grünen aufsitzen, deren angebliche Bedrohung sie im Einsatz für Klimaschutz und Diversität sehen. Während die ohnehin poröse Brandmauer gegen Rechts weiter bröckelt, fürchten Merz und Söder eine Zusammenarbeit mit den Grünen auf Bundesebene wie der Teufel das Weihwasser und basteln weiter an einem grünen Feindbild. Dass eine mögliche Assoziation der Grünen mit in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuften Landesverbänden, aus deren Jugendorganisation (Junge Alternative) aktuell Mitglieder aufgrund der Bildung eines rechtsterroristischen Netzwerks festgenommen wurden, äußerst fragwürdig ist, blendet die Union in den Debatten aus. Vielmehr versuchen Merz und Söder diesen Umstand damit zu kaschieren, indem sie eine künstliche Gefahrenlage erschaffen: die angeblich zu lasche Migrationspolitik der Grünen, die die Ursache für die gefühlte wachsende Kriminalität in Deutschland sei, sowie die angeblich ideologisch geführte Klimapolitik, die die Aktivitäten sogenannter „Klimaterroristen“ forciere.

Das Bashing der Grünen von Merz und Söder hat unter diesem Gesichtspunkt System. Es ist nicht nur Ausdruck persönlicher Abneigung, sondern auch strategische Überlegung. Indem sie die Grünen in der Regierung als realitätsfremd und ideologisch darstellen, erschaffen Merz und Söder ein Feindbild, an dem sich die eigene Wählerschaft, ähnlich wie die der AfD und des BSW, abarbeiten kann, um sich dann als die Kompetenten und Pragmatiker zu positionieren, die die Sorgen der Bürger*innen ernst nehmen. Das Kalkül, durch gezielte Diskreditierung des politischen Gegners weitere Wählerstimmen, vornehmlich aus dem rechten Rand zu mobilisieren, hat allerdings einen hohen Preis für die deutsche Gesellschaft: es erzeugt ein Klima des Misstrauens und Hasses. Durch die ständige Kritik wird eine Polarisierung gefördert, die es schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht, konstruktive Diskussionen über wichtige Themen wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zu führen. Der Fokus der politischen Debatten wird von einer sachlichen Ebene auf eine emotionale Ebene verlagert, in der Konfrontation und Schuldzuweisungen dominieren. Dies führt dazu, dass die politischen Lager sich weiter voneinander entfernen und die Gesellschaft sich zunehmend spaltet. In einem solchen Klima nehmen Angriffe auf Politiker:innen, insbesondere der Grünen und der SPD, zu, was am Beispiel der letzten drei Landtagswahlen zur politischen Realität in Deutschland wurde.

Politische Akteure müssen Verantwortung übernehmen

Wichtige Themen wie die Herausforderungen des Klimawandels, der Verlust der Biodiversität, Diskriminierung und soziale Ungleichheiten geraten in den Hintergrund. In einer Zeit, in der die weltpolitischen, gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen nicht zuletzt auch durch die Wiederwahl von Trump immer komplexer werden, ist es entscheidend, dass die politischen Akteure Verantwortung übernehmen und sich auf die Inhalte konzentrieren, anstatt sich in einem Wettlauf um populistische Rhetorik zu verlieren. Mit inhaltsloser Polemik kann man eventuell Wahlen gewinnen oder Regierungen stürzen, aber den Schaden, den man der Gesellschaft zufügt, ist um ein Vielfaches höher. Denn wirft man einen Blick auf die aktuellen Ereignisse in der Welt, so sind es weder Wokeness und Gendern noch der Klimaschutz, die den Weltfrieden gefährden, sondern rechtsextreme Populisten, die nach autoritären Regimen und dystopischen Gesellschaftsordnungen streben. Rechtsextremisten und sogenannte Patrioten weltweit, auf deren innenpolitischer Agenda die Ausgrenzung und Verfolgung politischer Gegner, Migrant*innen und queerer Menschen steht und die außenpolitisch weder vor Krieg noch vor der Zerstörung der Umwelt schrecken, sind die eigentlichen Gefahren der nächsten Jahre.

Die vorgezogene Bundestagswahl 2025 in Deutschland wird unter diesen Gesichtspunkten richtungsweisend sein und zeigen, ob das Grünen-Bashing von Merz und Söder, die D-Day Phantasien von Lindner und die rassistische Hetze der AfD gegenüber Migrant*innen aufgehen werden und in welche Richtung sich Deutschland in der nächsten Legislaturperiode innenpolitisch wie auch auf der weltpolitischen Bühne bewegen wird.