„Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland“

Interview

Der Autor Molla Demirel kam 1972 aus der Türkei nach Deutschland und ist Gründer des Radio-Kaktus Münster e.V.. Im Zwischenraum-Interview spricht er über 60 Jahre Anwerbeabkommen, seinen kürzlich erschienenen Sammelband "Migration – Arbeit – Utopie" und erklärt, wieso Deutschland schon immer ein Einwanderungsland war.

Portrait von Molla Demirel
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Autor und Lyriker Molla Demirel

Safiye Can und Hakan Akçit: Lieber Molla, du bist Autor, Lyriker und hast zahlreiche Lyrikbände sowie Prosabeiträge veröffentlicht. August dieses Jahres hast du das Buch Migration – Arbeit – Utopie herausgeben, das viele Beiträge, auch bekannter Autor*innen, zum Thema 60 Jahre Anwerbeabkommen beinhaltet. Wann reifte in dir die Idee zu diesem Buch?

Molla Demirel: Ich habe dieses Thema sowohl in meiner bereits erschienenen Arbeit Sprache und Literatur durch zwei Kanäle als auch in vielen Artikeln behandelt und öffentlich besprochen, etwa im Zuge meiner Arbeit für die türkischen Zeitungen Evrensel und Cumhuriyet. In den Jahren der Einwanderung nach Deutschland hatten unsere Wanderarbeiter*innen aus der Türkei nicht nur die Erwartung Geld zu verdienen und in ihren Koffern zurück nach Hause zu tragen. Sie verfügten auch über eine Kultur und über bestimmtes Wissen, das sie in ihren früheren Leben gewonnen hatten. Infolgedessen hat sich in diesem Land der Übergang von der Arbeit zu Kleinunternehmen und Investitionen entwickelt und es reifte die Idee, auch den eigenen Kindern eine Karriere und eine höhere Bildung zu ermöglichen. Ich habe diese Entwicklung verfolgt und Texte dazu veröffentlicht.

Der Zugang zur höheren Bildung für die Kinder der Arbeitsmigrant*innen scheiterte aber auch oft an den „Empfehlungen“ der Grundschullehrer*innen für weiterführenden Schulen. Hat die deutsche Gesellschaft das Potential der Gastarbeiterkinder verkannt?

Buchcover der türkischen Fassung von "Migration - Arbeit - Utopie"
Buchcover der türkischsprachigen Fassung von "Migration - Arbeit - Utopie"

Wenn die Einwandererkinder in den Ländern, in denen sie ansässig geworden sind, in allen Lebensbereichen Chancen erhalten, können sie sehr erfolgreiche Expert*innen werden – nicht nur für sich selbst, sondern auch für ebenjene Länder sowie für alle Völker der Welt. Trotz der schwierigen Bedingungen, trotz der hohen Mauern, die vor ihnen errichtet wurden, sind viele von ihnen in diesen 60 Jahren nach dem Anwerbeabkommen in den unterschiedlichsten Bereichen und in ihren Berufen sehr erfolgreich. Um nur zwei aus den hunderten Beispielen namentlich zu nennen: Prof. Dr. Uğur Şahin und seine Frau Dr. Özlem Türeci. Viele Menschen haben sich in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft für die Zukunft dieses Landes ausgebildet und es werden täglich mehr. Noch höher ist diese Zahl in den Bereichen Kultur, Literatur, Kunst und Politik. Literatur und Kunst fordert und fördert eine starke Vorstellungskraft. Literat*innen und Kunstschaffende stellen sich das Unbekannte, das Undenkbare vor und weisen mit ihren Werken gezielt darauf hin. Und Wissenschaftler*innen wiederum profitieren davon. Diesbezüglich werden unsere Schriftsteller*innen und künstlerisch Tätigen immer erfolgreich sein, weil sie eben von unterschiedlichen Kultur- und Lebensressourcen genährt werden. Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft gehören nicht nur einem einzigen Land an, sondern haben sich zu jeder Zeit globalisiert. Aus diesem Grund werden sie auch weiterhin den Menschen und der jeweiligen Gesellschaft dienen.

In deinem Beitrag im Buch beschreibst du, wie wichtig die Literatur der aus der Türkei stammenden Autor*innen und ihre Mehrsprachigkeit für den kulturellen Austausch zwischen der Türkei und Deutschland ist. Welche Vorteile siehst du insbesondere für die Literaturszene in Deutschland?

Dazu muss ich erstmal sagen, dass ich keines meiner eigenen Werke als nur türkische oder kurdische Literatur, Kultur und Kunst betrachte. Denn in der Türkei leben noch immer mehr als 40 Sprachen und Kulturen zusammen. Das sind keine Kulturen, die wie in der Europäischen Union nebeneinander leben, sondern im Gegenteil: Sie leben seit Jahrtausenden zusammen. Darüber hinaus globalisieren sich, wie bereits erwähnt, in unserer Zeit alle Kultur-, Kunst-, Literatur- und Wissenschaftsstudien schneller als in den vergangenen Jahrhunderten. Am meisten profitieren natürlich die Menschen, die der Literatur und der Kunst zugeneigt sind von den Erfahrungen der Völker dieser Welt. Die Arbeiten der Autor*innen werden fruchtbar sein, sie werden ihre verschiedenen Farben und Elemente durch den Filter ihrer eigenen Gedankenkraft kombinieren und eine Quelle der Ermutigung und Inspiration für neue, zukünftige, insbesondere wissenschaftliche Studien sein. Deutschland hat aktuell ein demokratischeres System als die Regierung der Türkei der eigenen Bevölkerung bietet. In der Literatur und Kunst haben die Menschen die Möglichkeit freier zu forschen und kreativ zu sein. Wir in Deutschland werden von den vielfältigen kulturellen Perspektiven eingewanderter Schriftsteller*innen genährt. Dies ist ein sehr großer Vorteil für die Schriftsteller*innen nicht-deutscher Herkunft. Für die deutsche Gesellschaft wiederum ist die Kunst nicht-deutscher Schriftsteller*innen eine Bereicherung, insbesondere für unserer deutschstämmigen Kolleg*innen. Denn auch sie profitieren von unseren verschiedenen Farben und Motiven.

Was waren deine persönlichen Beweggründe für die Migration 1972 nach Deutschland?

Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass die Völker der Welt in Frieden leben. Ich habe mich gegen Rassismus, religiösen Fanatismus, autoritäre oder fundamentalistische Regierungen und deren faschistische Gesetze und Praktiken eingesetzt. Aus diesem Grund wurde ich viele Male verhaftet und gefoltert, als ich noch Schüler am Gymnasium, Student und Lehrer war. Meine Brüder lebten in Frankreich und Deutschland. Ich kam auf ihre Einladung hin. Hier meldete ich mich wieder bei der Fachhochschule an, denn in der Türkei gab es Militärgesetze. Die damalige Regierung verschloss Lehrer*innen, Arbeiter*innen und Jugendorganisationen die Türen, ihre Vorstandsmitglieder wurden festgenommen. Ich war verheiratet und Vater von zwei Kindern. Wenn ich zu dieser Zeit in der Türkei geblieben wäre, wäre ich heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben.

Welche positiven und negativen Eindrücke hattest du nach deiner Ankunft in Deutschland?

Deutschland ist ein entwickeltes Industrieland und beherbergt Menschen aus Ländern, die in beiden Weltkriegen große Zerstörungen erlitten haben. Als Industrieland ist es ein Land mit mehr bürgerlicher Demokratie als die Türkei. Hierzulande gibt es mehr Möglichkeiten, furchtlos Archive zu durchstöbern, Informationen zu sammeln und zu schreiben. Da es sich um ein von der Arbeitsmigration geprägtes Land handelt, kommen Menschen aus der ganzen Welt hierher. Wir kennen sie direkt, wir hören ihnen zu, wir beobachten sie. Dies sind großartige Ressourcen für Künstler*innen und Schriftsteller*innen. Meine Kinder hatten hier die Möglichkeit, ihr Studium ohne Probleme zu beenden. Dies sind die positiven Aspekte.

Natürlich gibt es auch in diesem Land Negatives. Ich lebe seit 1972 in Deutschland, bin aber immer noch Ausländer. Ich habe immer noch kein Wahlrecht in diesem Land, in dem ich bereits 48 Jahre lebe. Einerseits sagen sie „Integration", andererseits fördern sie ethnisch fokussierte Studien. Damit drängen sie Einwander*innen in die Ecke. Die erste Person, die entlassen wird, ist eine Person ausländischer Herkunft. Diejenigen, die auf Sonder- und Hauptschulen verwiesen werden, um mehr Arbeitskräfte in der Ausbildung zu haben, sind die Kinder von Migrant*innen. Diejenigen, die es am schwersten haben, ein Haus zu mieten, sind Menschen ausländischer Herkunft. Ich könnte noch viele weitere negative Beispiele aufzählen.

Welchen Einfluss hat es für dein Schreiben, wenn du als Literat in Deutschland lebst und auf Türkisch schreibst? Setzt du in deinen Texten und Gedichten den Schwerpunkt mehr auf das Leben in Deutschland oder setzt du dich literarisch auch mit der Türkei auseinander?

Safiye Can mit dem Ehepaar Demirel
Safiye Can mit dem Ehepaar Demirel

Ich sage, dass ich der Dichter und Schriftsteller der Weltarbeiter*innenklasse bin, der Liebe und Frieden wünscht. Deshalb verteidige ich die Menschenrechte und die Natur. Als Schriftsteller und Dichter schreibe ich natürlich auf Türkisch, das ist die Sprache, die ich am besten beherrsche. Ich profitiere jedoch sehr von der Kultur, Literatur und Kunst Deutschlands als jemand, der in Deutschland lebt, der fortwährend in Deutschland studiert. Farben, also Motive, werden in meinen Arbeiten in Erwartung der kulturellen Motive der hier lebenden Völker eingesetzt. Unsere Unterschiede sind unser Reichtum. Denn wir lernen voneinander. Deshalb sage ich seit 50 Jahren, Menschen lernen von Menschen. Die hier lebenden Deutschen mit Migrationsvorgeschichte profitieren alle von diesen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen und bereichern die gesprochenen Sprachen und Kulturen mit den Motiven, die sie daraus erhalten. Dass die Dichterin Safiye Can, die vorbildlich Türkisch und Deutsch beherrscht, schon in jungen Jahren so erfolgreich und in verschiedenen Ländern bekannt geworden ist, liegt daran, dass sie die Motive dieser unterschiedlichen Sprachen und Kulturen gekonnt einsetzt. Ich lebe in Deutschland, mir liegen die Probleme in Deutschland sehr am Herzen. Natürlich breche ich meine Verbindungen zur Türkei nicht unbedingt ab. Zweisprachig zu sein ist ein Reichtum.

Angesichts der zunehmenden rassistischen Anschläge in einer kurzen Zeitspanne von wenigen Jahren, wie siehst du die Zukunftsperspektive für Migrant*innen in Deutschland?

In Zeiten von Wirtschaftskrisen und zunehmender Armut erfahren rassistische und religiöse Ideologien immer starken Zuwachs. Es gibt keine „Rasse“ auf der Welt, sie ist ein Konstrukt. Ich sage jungen Menschen deutscher Herkunft: „Geh‘ und frag‘ deine Urgroßeltern, woher ihre Vorfahren kommen.“ Sie sind überrascht, wenn sie fragen, da sie fast alle aus vielen verschiedenen Ländern kommen, vor allem aus Ungarn, Österreich, Tschechien, den Niederlanden, Polen, Frankreich, Belgien und der Schweiz. Unsere Enkelkinder und deren Kinder sagen zu Recht: „Ich bin Deutsche*r“. Kurz gesagt, egal was die deutschen Behörden und Rassist*innen sagen – Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland. Die Welt hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg schnell globalisiert. Die jüngeren Generationen werden sich nun bewusst, dass sie Weltbürger*innen sind. Zukünftige Generationen werden die Entscheidungsträger*innen dieses Landes sein und sie werden erfolgreicher sein, wenn sie sich an der Jugend von heute, die erfolgreich ist, ein Beispiel nehmen. Als ich 1972 sagte, dass es in diesen Ländern Kinder von Einwander*innen geben wird, die Wissenschaftler*innen, Bürgermeister*innen, Politiker*innen und Unternehmer*innen sein werden, sagten mir sogar meine deutschstämmigen Kolleg*innen „Du träumst." Ich sage, dass sie in Zukunft die Premierminister*innen und Präsident*innen dieser Länder sein werden.

Portrait von Molla Demirel

Molla Demirel ist im Jahre 1948 in Akçadağ / Türkei geboren. Er hat die Mittlere Schule in Malatya beendet und anschließend Literatur an einem Bildungsinstitut in Diyarbakir studiert. Er siedelte 1972 nach Deutschland über und hat dort erfolgreich Sozialberatung/Sozialpädagogik an der Fachhochschule studiert. Darüber hinaus war er unter anderem auch als Chemiearbeiter und als Sozialberater tätig. Seit 1983 arbeitet er als Rundfunkpädagoge/Sozialberater bei einer kommunalen Radiowerkstatt. Neben seinen literarischen Tätigkeiten, repräsentiert er auch bei seinen Fotoausstellungen interessante Lebensphasen und Ausschnitte des gesellschaftlichen Lebens.

Seine Gedichte, Artikel und schriftlichen Beiträge, literarischen Kurzgeschichten und andere schriftliche Arbeiten wurden in vielen europäischen Ländern sowie in der Türkei veröffentlicht und publiziert. Insgesamt hat er 43 Bücher veröffentlicht und wurde für seine Werke vielfach mit Literatur-, Kunst und Kulturpreisen ausgezeichnet.

Du bist Gründer und Geschäftsführer von Radio-Kaktus Münster e.V. und hast die M. Demirel Kulturstiftung Internationales Kinderspielzeugmuseum Münster ins Leben gerufen. Kannst du unseren Leser*innen deine Stiftung vorstellen und darüber berichten, was die Intention zur Gründung der Molla Demirel Stiftung war?

Das Kinderspielzeugmuseum war seit meiner Kindheit ein Traum. Seit 1976 beantrage ich bei der Stadt Münster fast alle zwei Jahre ein Kulturhaus, ein Museum, das die Kulturgüter der in Deutschland lebenden Völker beherbergen soll. Ich weiß, dass die weltweite Migration nicht zurückgehen wird. Hätte es keine Einwanderung gegeben, gäbe es auch heute in Amerika nicht Millionen Deutsche, Franzos*innen, Spanier*innen und Italiener*innen. In Anatolien, also in der Türkei, würde es keine Türk*innen geben.

Vorurteile gegenüber Einwander*innen gab es in der Vergangenheit in allen Jahren. Einwander*innen haben großen Schmerz und Armut erfahren. Der Weg zur Überwindung extremer, nationalistischer und religiöser Gruppen ist mit Kultur-, Literatur- und Kunstwissenschaft und Bildung in diesen Bereichen möglich, damit die Menschen in Einwanderungsländern nicht noch größeres Leid erfahren. Da es in der Stadt Münster Bürger*innen aus mehr als 140 verschiedenen Kulturkreisen gibt, die verschiedene Sprachen sprechen, sind es in Deutschland wahrscheinlich noch viel mehr. Ich dachte, die beste Institution, die sie zusammenbringt und die Menschen in jungen Jahren dazu motiviert, verschiedene Kulturen und Sprachen kennen und lieben zu lernen, wäre ein Kulturmuseum. Ich habe also die entsprechenden Vorbereitungen getroffen. In Münster gab es bis dahin kein Museum für Kinderspielzeug. Ich habe diese Lücke gefüllt.

Wie gestaltete sich die Realisierung des Projekts? Hat dich die Stadt in deinem Vorhaben unterstützt?

Für die Unterstützung und Realisierung dieses Museums schienen die Behörden manchmal die Tür zu öffnen, aber der Präsident der Ausländerversammlung sagte: "Es wäre nicht richtig für einen Türken, eine solche Institution zu gründen. Wenn die Stadt eine solche Institution braucht, sollte es der Ausländerbeirat tun.“ Er schloss die Türen im Ausschuss. Natürlich waren hier politische Vorurteile, rassistische und christliche Konservative wirksam, die einen solchen Versuch einer Person ausländischer Herkunft nicht mittragen konnten und wollten. Ich bin jedoch ein sturer Mensch, der ein Projekt, das er für gut hält, nicht aufgibt. Frau Wendela-Beate Vilhjalmsson, zuletzt Bürgermeisterin (SPD) der Stadt Münster, sagte: „Molla Demirel, du kannst tun, was immer du dir in den Kopf setzt.“ Sie überlies mir Spielsachen, die sie in den Jahren, als sie selbst auf der Flucht war, mit ihrem Onkel gemacht hatte. Ich solle sie bewahren. Ich war glücklich und sagte: „Wenn Sie die Ehrenpräsidentschaft des Museums annehmen, werden wir es gründen.“ Sie nahm also meinen Vorschlag an und ich ihre Spielsachen. Außerdem haben viele ältere Menschen, die während des Ersten und Zweiten Weltkriegs lebten, ähnliche Sätze gesagt. Wir haben also mit ihrer Unterstützung und ihren Spenden die Museumsarbeit durchgeführt, ohne auf die Unterstützung der Stadt zu warten. Schließlich haben wir ein kleines, aber feines Internationales Kinderspielzeugmuseum in unsere Stadt gebracht, in der wir traditionelles Spielzeug aus mehr als 80 Ländern ausstellen.

Der Radio-Kaktus Münster e.V., den ich 1976 gegründet habe, betreibt seine Bildungs- und Sozialarbeit durch Medien, Kultur und Kunst. Ich habe das Museum unter der Treuhand von Kaktus Münster e.V. errichtet. Es hat seither mehr Aufmerksamkeit bekommen, als ich erwartet hatte.. Ich habe seit Jahren über 3.000 Spielzeuge zusammengestellt. Ich habe 43 Bücher in dieser Stadt veröffentlicht, meine Artikel und Gedichte sind in mehr als hundert Zeitschriftenbroschüren, Radio- und Fernsehsendungen erschienen. Meine Bücher und Werke, die zunächst auf Deutsch und Türkisch erschienen sind, wurden ins Serbische, Englische, Persische, Russische und Französische übersetzt. Ich habe die Einkünfte daraus an das Kinderspielzeugmuseum gespendet. Aus diesem Grund halte ich es für richtig, das Museum und die Stiftung zusammen zu erwähnen.

Wenn du eine Zeitreise in das Jahr 1972 machen würdest, kurz vor deiner Abreise nach Deutschland, was würdest du dem jungen Molla Demirel sagen wollen?

Ich würde wohl sagen: Es reicht dir nicht, Molla Demirel, weiter in der Türkei zu wohnen. Reise in industriell entwickelte Länder und sehr arme Länder, lerne ihre Völker kennen. Damit du das Recht auf Leben des Menschen und aller Lebewesen verteidigen kannst, musst du mehr lesen und dir der Dinge bewusster werden. Versuche, die Entwicklungen in der Welt zu verstehen durch ständiges Lernen. Andernfalls kannst du den Völkern der Türkei und allen Lebewesen auf dieser Welt mit unzureichenden Informationen nicht nützlich sein. Wenn du nicht ständig bei Bewusstsein und informiert bist, wirst du nicht glücklich werden und kein Leben in Frieden mit dir selbst führen. Lies und schreibe Gedichte. Denn der Weg zum Ziel ist mit Wissen erleuchtet. Schreibe aber keine Seite, ohne dutzende von Büchern zu lesen, dutzende von Filmen und Theaterstücken anzuschauen, ohne dir die neuen Alben und Konzerte von dutzenden von Musiker*innen anzuhören.