Prekäre Arbeit und soziale Unsicherheit: Die Vereinnahmung sozialer Fragen von rechts

Analyse

Die soziale Unsicherheit in unserer Gesellschaft wächst und die extreme Rechte profitiert davon, indem sie soziale Fragen besetzt und mit rechter Rhetorik beantwortet. Stefan Dietl analysiert diese Strategie und plädiert dafür, soziale Sicherheit als wesentlichen Bestandteil der Sicherheitsarchitektur einer offenen Gesellschaft zu begreifen, um der Agitation von rechts den Boden zu entziehen.

Proteste gegen den Naziaufmarsch der Partei "Die Rechte" am 18.03.2017 in Leipzig

In ganz Europa präsentieren sich extrem rechte Parteien und Bewegungen als Garant für Sicherheit und Ordnung. Ein rigider Law & Order-Kurs – häufig verbunden mit dem Schüren diffuser Ängste oder Warnungen vor staatlichem Kontrollverlust – gehört zu den wesentlichen Merkmalen rechter Politik. Auch in Deutschland gelingt es extrem rechten Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD), an das Bedürfnis vieler Menschen nach Sicherheit anzuknüpfen.

Zunehmend versucht die extreme Rechte sich jedoch nicht nur als Vorkämpferin gegen Kriminalität zu inszenieren, sondern auch einen ganz anderen Aspekt von Sicherheit für sich zu vereinnahmen – die soziale Sicherheit. Verstärkt präsentieren sich selbst Rechtsparteien mit wirtschaftsliberalen Wurzeln wie die AfD als Verfechter sozialer Gerechtigkeit und Streiter gegen die wachsende soziale Unsicherheit. Dabei können sie mit ihrer Agitation an reale Missstände anknüpfen.

Sozialabbau und Deregulierung

Die vergangenen Jahrzehnte waren in Europa und auch hierzulande geprägt vom Abbau einstiger sozialer Standards. Der Siegeszug des Neoliberalismus im Zuge der Konjunkturkrisen der 1970er Jahre und 1980er Jahre ging einher mit einer Deregulierung des Arbeitsmarktes, der Zerschlagung sozialer Sicherungssysteme und der Privatisierung öffentlicher Infrastruktur. In Deutschland vollzog sich die Abkehr vom Sozialstaat insbesondere im Rahmen der sogenannten Agenda 2010 zu Beginn der 2000er Jahre.

Die Umstrukturierung der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes schufen in Deutschland einen Niedriglohnsektor bisher unbekannten Ausmaßes und führten zum rasanten Wachstum unsicherer, prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Eine Entwicklung, die sich im Zuge der Finanzmarktkrise 2010/11 noch einmal verschärfte. 

Inzwischen arbeiten hierzulande 40 Prozent der Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen. Etwa 7,7 Millionen Menschen arbeiten in Minijobs. Mehr als eine Million als Leiharbeitnehmer:innen. 3,2 Millionen Menschen haben nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Dazu kommen unfreiwillige Teilzeit, unbezahlte Praktika und Scheinselbstständigkeit. Für die Betroffenen bedeutet all das nicht nur niedrige Löhne, sondern auch geringe soziale Absicherung und ständige Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Zugleich ging die Abschaffung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe und die Einführung des Arbeitslosengeldes II mit der Errichtung eines rigiden Sanktionsregimes zur Kontrolle und Gängelung Erwerbsloser einher.

Von dieser Produktion sozialer Unsicherheit gelingt es der extremen Rechten zu profitieren, indem sie die Betroffenen dieser Entwicklung – Erwerbslose, prekär Beschäftigte, Arbeitnehmer:innen mit Abstiegsängsten – mit dem Konzept des »nationalen Sozialismus« oder »völkischen Antikapitalismus« zu gewinnen versucht. Prof. Dr. Christoph Butterwegge, der sich seit vielen Jahren mit dem Zusammenhang von Neoliberalismus und Rechtsextremismus beschäftigt, beschreibt die Entwicklung folgendermaßen:

»Je stärker die Menschen, vor allem die Verlierer/innen der neoliberalen Modernisierung, unter der sozialen Kälte einer Markt-, Hochleistungs- und Konkurrenzgesellschaft leiden, umso mehr sehnen sie sich nach emotionaler Nestwärme, die ihnen Rechtsextremisten im Schoß der Traditionsfamilie, einer verschworenen Truppe von Gleichgesinnten, sei es die Jugendgruppe mit Lagerfeuerromantik oder die Wehrsportgruppe mit der Faszination von Schusswaffen, der geliebten Heimat, der eigenen Nation bzw. der ›deutschen Volksgemeinschaft‹ wiederherstellen zu können versprechen. Folgerichtig rückte die völkische Kapitalismuskritik gegen Ende des 20./Anfang des 21. Jahrhunderts wieder stärker in das Blickfeld der Rechtsextremisten.«(1) 

»Nationaler Sozialismus« – eine lange Tradition

Die Bemühungen der extremen Rechten, die soziale Frage zu ihren Gunsten zu besetzen und dabei nationalistische Agitation und soziale Rhetorik zu vereinen, können auf eine lange Tradition zurückblicken. Historisches Vorbild für die heutigen Propagandisten eines »nationalen Sozialismus« ist der sozialrevolutionäre Flügel der NSDAP, der sich auf die vermeintlich kapitalismuskritischen Aussagen des 25-Punkte-Programms der NSDAP zur Schaffung einer »nationalen Volksgemeinschaft« berief.

Im Gründungsprogramm der NSDAP von 1920 war beispielsweise vom »Brechen der Zinsknechtschaft des Finanzkapitals« oder der »Enteignung des großen Grundbesitz für gemeinnützige Zwecke«(2) die Rede. Da viele Großindustrielle von den antikapitalistischen Parolen der Nationalsozialisten abgeschreckt wurden, erklärte Hitler jedoch bereits frühzeitig, dass die Partei auf dem »Boden des Privateigentums« stehe und die Forderung nach Enteignungen sich »in erster Linie gegen die jüdischen Grundspekulanten«(3) richten würde.

Spätestens nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 spielte der sozialrevolutionäre Flügel in der Partei nunmehr eine untergeordnete Rolle. Verschwunden war die Idee eines nationalen Sozialismus damit jedoch nicht. In der Nachkriegszeit versuchte zunächst die Sozialistische Reichspartei (SRP) an das Konzept des nationalen Sozialismus anzuknüpfen. Die 1949 entstandene Partei wurde zum Auffangbecken ehemaliger NSDAP-Mitglieder und stellte sich in die Tradition des sozialrevolutionären Flügels, wurde jedoch 1952 aufgrund ihrer offenen Bezugnahme zum Nationalsozialismus verboten.

Die 1964 gegründete NPD unter ihrem ersten Vorsitzenden, dem Unternehmer Fritz Thielen, schlug zunächst einen klar unternehmensfreundlichen Kurs ein, der keinerlei Bezug auf die Idee des nationalen Sozialismus nahm, sondern die Agitation gegen die Sowjetunion und die aufkommende Studierendenbewegung in den Mittelpunkt stellte. Andere widmeten sich hingegen durchaus dem sozialpolitischen Erbe der NSDAP. In den 1970er Jahren begannen rechte Intellektuelle sich mit dem sozialrevolutionären Flügel der NSDAP auseinanderzusetzen. Diese sogenannte ‚Neue Rechte‘ beschäftigte sich mit den Theorien der konservativen Revolution, den Staatstheorien von Carl Schmitt und auch mit den völkischen Sozialisten um die Gebrüder Strasser.

Die Neue Rechte bestand jedoch nicht nur aus Diskussionszirkeln. Hinzu kamen aktionistisch orientierte Zusammenschlüsse, die sich die Protestformen der linken Studierendenbewegung zum Vorbild nahmen. Durch den Rückgriff auf populäre Themen wie dem Umweltschutz oder sozialen Fragen wollten sie, verbunden mit kreativen Protest- und Aktionsformen, den rückwärtsgewandten NS-Bezug der Altnazis hinter sich lassen und Schritt für Schritt gesellschaftliche Diskurse von rechts besetzen. Im Mittelpunkt stand dabei die Propagierung eines nationalen Sozialismus und eines »dritten Weges« zwischen Marxismus und Kapitalismus.

Nach und nach gewann die Neue Rechte erheblichen Einfluss, zunächst auf die Jugendorganisation der NPD Junge Nationalisten (JN), später auf die gesamte Partei. Damit einher ging die schrittweise Verankerung der Idee des nationalen Sozialismus in der Partei, die heute die programmatische Grundlage der NPD darstellt. Dem »menschenverachtenden, ungebändigten Kapitalismus nach US-amerikanischer Art« wird der »deutsche Sozialismus zum Wohle des eigenen Volkes« entgegengesetzt. Dabei knüpft die NPD auch terminologisch an die NSDAP an, wenn sie zum Beispiel vom »schaffenden Kapital« oder der »Schaffung des nationalen Sozialismus« spricht.

Wie für ihre Vorbilder steht auch für die NPD die Schaffung einer »wahren« Volksgemeinschaft gegen Bedrohungen von außen im Mittelpunkt ihrer Programmatik. Die Volksgemeinschaft steht bei der NPD für »Nationale Solidarität«, welche der mit dem Kapitalismus »einhergehenden sozialen Kälte« entgegensetzt wird. Das Übel der kapitalistischen Produktionsweise wird »global agierenden Großkonzernen«, der »Weltdiktatur des Großkapitals« oder dem »entfesselten Globalkapitalismus« zugeschrieben(4). Dieser soll angeblich von der US-Ostküste aus gesteuert werden, eine unter Antisemit:innen gern verwendete Chiffre für das Judentum.

Die AfD – Rassistische Hetze und soziale Rhetorik

Nicht nur die NPD, sondern fast alle Rechtsparteien in Europa agitieren angesichts sich zuspitzender sozialer Ungleichheit mit sozialpopulistischen Forderungen, auch jene, die wie die AfD für sich beanspruchen, eine wirtschaftsliberale Ausrichtung zu vertreten. In der AfD sind es vor allem Nationalkonservative wie der Ehrenvorsitzende der Partei Alexander Gauland und der völkisch-nationalistische Flügel um den thüringischen Vorsitzenden der AfD-Fraktion, Björn Höcke, die die Wähler:innenschaft mit einer sozialprotektionistischen Agenda und teils kapitalismuskritischer Rhetorik für die AfD gewinnen wollen. Dahinter steckt nicht zuletzt wahltaktisches Kalkül.

Gauland betonte bereits 2014, die AfD dürfe, wolle sie Volkspartei werden, nicht nur bürgerlich-konservative Kräfte ansprechen, sondern müsse auch für die Arbeiterschaft wählbar sein. Im von ihm verantworteten Landtagswahlkampf in Brandenburg 2014 präsentierte er die AfD als die »Partei der kleinen Leute« und schaffte es so, mit einem zweistelligen Ergebnis in den Landtag einzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt stand die sogenannte Flüchtlingskrise erst noch bevor und um die Euro-Krise war es ruhig geworden. Im Mittelpunkt des AfD-Landtagswahlkampfes standen stattdessen vermeintlich soziale Themen und Gauland gelang es, sich erfolgreich als Vertreter sozialer Gerechtigkeit darzustellen.

Im brandenburgischen Landtag forderte Alexander Gauland dann ein Solidarpaket für sozial schwache Deutsche und nutze die Gelegenheit zugleich, um gegen Geflüchtete zu hetzen. Seit vielen Jahren würden die sozialen Probleme der Menschen von der Politik vernachlässigt, beklagte Gauland und fragte: »Muss der sozialbedürftige Bürger erst das Mittelmeer überqueren, bevor er von der Politik wahrgenommen wird?«(5)

Der Kurs ist klar: Die Partei präsentiert sich einerseits als Vertretung der sozial Schwachen und macht gleichzeitig Geflüchtete für die soziale Misere verantwortlich. In immer mehr Landtagswahlprogrammen, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern, versuchte die AfD ihre rassistische und nationalistische Hetze mit sozialen Forderungen zu kombinieren. Beispielsweise die bessere Bezahlung der Mitarbeiter:innen im öffentlichen Dienst, das Vorgehen gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen, eine bessere finanzielle Ausstattung der Pflege oder einen Ausschluss von Privatisierungen.

Bei der Propagierung eines modernisierten »nationalen Sozialismus« innerhalb der AfD kommt insbesondere Björn Höcke eine Schlüsselrolle zu. Er verbindet sein Versprechen der sozialen Absicherung in der »Volksgemeinschaft« mit der rigorosen Abgrenzung von allem Fremden. »Die soziale Frage der Gegenwart ist nicht primär die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten oder alt nach jung. Die neue deutsche soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen«, so Höcke(6). Dem »internationalen Finanzkapitalismus« und einer »monokulturalisierten Weltwirtschaft« stellt er seine Vorstellungen einer »organische[n] Marktwirtschaft« entgegen.(7) 

Diese Vorstellungen speisen sich nicht zuletzt aus Ideologiefragmenten der völkischen Sozialisten, vor allem, wenn es um die Harmonisierung der Klassengegensätze und die Schaffung einer »nationalen Gemeinschaft« geht.(8) Dabei schlägt Höcke auch vermeintlich kapitalismuskritische, jedoch einer nationalistisch-antisemitischen Logik folgende, Töne an: »Ich traue den Großbanken und Hedgefonds nicht. Ich traue dem Kapital und dem ungedeckten Papiergeld nicht. Eine neue deutsche Politik hat alles zu unternehmen, die Nation als Vertrauens- und Solidargemeinschaft zu erhalten«, so Höcke.(9)

Der Kampf um die Betriebe

Die schwindende soziale Absicherung, die den Nährboden für die Agitation von rechts bildet, macht sich besonders im betrieblichen Alltag bemerkbar. Die Arbeitswelt wird zunehmend bestimmt von unsicheren Arbeitsverhältnissen wie Befristungen, Werkverträgen und Leiharbeit. Es ist daher wenig erstaunlich, dass die extreme Rechte zuletzt verstärkt versuchte, auch in den Betrieben Fuß zu fassen.

Bei den 2018 stattfindenden Betriebsratswahlen sahen sich die Gewerkschaften des DGB einer abgestimmten Kampagne von rechts ausgesetzt. Gemeinsam mit der Initiative »Ein Prozent«, dem Magazin Compact und Teilen der AfD trat der Verein »Zentrum Automobil« in mehreren Betrieben mit eigenen »alternativen« Betriebsratslisten zur Wahl der Interessenvertretungen an. Auf einer Konferenz der Zeitschrift Compact in Leipzig wurden die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt.

Neben dem Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer versammelten sich unter anderem der Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der Anführer der »Identitären Bewegung Österreich«, Martin Sellner, Philip Stein von der rechtsextremen Initiative »Ein Prozent« und Björn Höcke in Leipzig. Als Ziel der alternativen Betriebsratslisten nannte Elsässer, »eine neue Front zur nationalen und sozialen Befreiung des Volkes« aufzubauen. Die Zielsetzung des Projekts wurde klar benannt: Die AfD ist der parlamentarische Arm, das »Zentrum Automobil« soll derjenige in den Betrieben sein. »Alle Räder stehen still, wenn mein blauer Arm es will«, so Elsässer.

Es ist nicht der einzige Versuch der AfD, sich in der Arbeitnehmer:innenschaft zu verankern. Gerade im Osten der Republik versuchen Parteifunktionär:innen immer wieder sich bei Streiks oder Protesten gegen Werksschließungen als Vertreter:innen der Arbeitenden zu inszenieren. So zum Beispiel Björn Höcke bei einer Demonstration gegen die Schließung des Siemens Turbinenwerk in Erfurt oder bei einer Kundgebung zum Erhalt des Opel-Werks in Eisenach. Nicht immer sind diese Bemühungen jedoch erfolgreich. So wurden Höcke und seine Anhänger:innen in Eisenach von wütenden Opelaner:innen aus der Demonstration gedrängt und aufgefordert, die Veranstaltung zu verlassen.

Soziale Sicherheit – Garant für eine demokratische Gesellschaft

Die extreme Rechte profitiert von der wachsenden sozialen Unsicherheit. Es ist ihr gelungen, die Verbindung aus rassistischer Hetze und sozialer Rhetorik in ihren Sicherheitsdiskurs einzupflegen. Die jahrzehntelange Vernachlässigung der Frage nach sozialer Absicherung durch die etablierten Parteien, die Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme und die Deregulierung des Arbeitsmarktes erleichterten es der extremen Rechten, dieser Entwicklung ihr Konzept von Volksgemeinschaft und Ausgrenzung gegenüberzustellen und damit bei den Wähler:innen zu punkten.

Die Versuche extrem rechter Parteien und Bewegungen die soziale Frage von rechts zu vereinnahmen und rassistisch aufzuladen fallen daher in ganz Europa auf fruchtbaren Boden. So gelang es dem französischen ‚Rassemblement National‘ unter Marine Le Pen in den vergangenen Jahren in weite Teile des Arbeiter:innenmilieus vorzudringen, die polnische PiS kann sich ebenso wie die britische UKIP auf breite Zustimmung aus der Arbeiter:innenschaft stützen und der FPÖ gelang es erfolgreich sich als »soziale Heimatpartei« zu inszenieren.

Auch der deutschen AfD gelingt es angesichts der wachsenden sozialen Unsicherheit die Betroffenen von Sozialabbau und neoliberaler Deregulierung mit dem Versprechen von »nationaler Solidarität« und rigoroser Abgrenzung von allem Fremden für sich zu gewinnen. So verdankt sie ihre Wahlerfolge der vergangenen Jahre insbesondere dem wachsenden Wähler:innenzuspruch in der Arbeitnehmer:innenschaft. 
Untersuchungen zeigen, dass nach der Migrationspolitik sozialpolitische Themen der wichtigste Ansporn für AfD-Wähler:innen sind, ihr Kreuz bei der Rechtspartei zu machen. Mehr als die Hälfte der AfD-Wähler:innen gaben bei Nachwahlbefragungen an, die Partei aufgrund ihres vermeintlichen Einsatzes für soziale Gerechtigkeit zu wählen(10).

Gerade die sozialen Verwerfungen im Zuge der Finanzkrise haben der Agitation von rechts weiteren Auftrieb gegeben. Angesichts der prognostizierten ökonomischen Krise im Zuge der Corona-Pandemie werden sozialpolitische Themen noch stärker als bisher in den Fokus der Propaganda der extremen Rechten in Deutschland und Europa rücken. Eine demokratische und offene Gesellschaft kann dieser Agitation nur den Boden entziehen, indem sie die soziale Sicherheit als wesentlichen Bestandteil ihrer Sicherheitsarchitektur begreift.

Das schließt eine Zurückdrängung prekärer, unsicherer Beschäftigungsverhältnisse ebenso ein, wie die Ausweitung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der staatlichen Sicherungssysteme. Die Grundvoraussetzung einer freiheitlichen Gesellschaft ist auch die Freiheit von Armut und der Angst vor dem sozialen Abstieg. Ein Sozialstaat, der tatsächliche soziale Teilhabe – die immer auch die Voraussetzung für demokratische Beteiligungsmöglichkeiten ist – ermöglicht, ist nicht nur ein wirksames Mittel gegen rassistische und antidemokratische Agitation, sondern auch der Garant für eine offene und freie Gesellschaft. 


Literaturnachweise:

(1) Christoph Butterwege: Marktradikalismus und moderner Rechtsextremismus.

(2) Das Parteiprogramm der NSDAP vom 25.0 2.1920. 

(3) Das Parteiprogramm der NSDAP vom 25.02.1920, Erklärung gegenüber den verlogenen Auslegungen des Punktes 17 des Programms der N.S.D.A.P. 

(4) Helmut Kellersohn: Der völkische Nationalismus der NPD. Grundzüge der NPD-Programmatik, in: Helmut Kellersohn: Die ›Deutsche Stimme‹ der ›Jungen Freiheit‹-Lesarten des völkischen Nationalismus in zentralen Publikationen der extremen Rechten, 2013.

(5) Gauland fordert Solidarpaket für Deutsche, in: Märkische Zeitung vom 10. März  2016.

(6) Zitiert nach: Hannes Vogel: »Die AfD täuscht die kleinen Leute«, n-tv vom 04. Mai 2016.

(7) Andreas Kemper: »… die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahren befinden.« Die Differenz von Konservativismus und Faschismus am Beispiel der »historischen Mission« Björn Höckes (AfD)«, 2015.

(8) Andreas Kemper: »… die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahren befinden.« Die Differenz von Konservativismus und Faschismus am Beispiel der »historischen Mission« Björn Höckes (AfD)«, 2015.

(9) Zitiert nach: Hannes Vogel: »Die AfD täuscht die kleinen Leute«, n-tv vom 04. Mai 2016.

(10) So gaben beispielsweise bei Umfragen im Zuge der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 48 Prozent der AfD-Wähler:innen an, dass die »soziale Gerechtigkeit« für sie das wahlentscheidende Thema gewesen wäre (https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2016-09-04-LT-DE-MV/charts/umfrage-wa…); in Sachsen-Anhalt waren es 42 Prozent (https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2016-03-13-LT-DE-ST/charts/umfrage-wa…); in Baden-Württemberg 37 Prozent (https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2016-03-13-LT-DE-BW/charts/umfrage-wa…). Bei der Bundestagswahl sahen 53 Prozent der AfD-Wähler:innen die Partei beim Thema soziale Gerechtigkeit als kompetent an. (https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-09-24-BT-DE/charts/umfrage-afd/c…).